8 Track EP - 2016 / CD
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»What difference does it make?«, fragte die Go-to-Band der Missverstandenen in den Achtzigern und löste das Rätsel prompt selbst: »It makes none.« So weit, so hermetisch. Eindeutig uneindeutiger fällt die Replik auf folgende Frage aus: What does difference make? Mögliche Antwort: Hands of Kanellos.
Die aufgrund musikalischer Unvereinbarkeiten gegründete Hamburger Band hegelt auf ihrer nun mehr zweiten EP »Lenz« erneut gen unbekannt – und wie wir alle wissen, kann unbekannt nur schreiben, der weiß, wie bekannt buchstabiert wird. Hands of Kanellos feiern ihr eigenes post-guilty-pleasure Britrockrevivalrevival, wobei man dabei mal den Rock, mal die Revivals und meistens das Britische kürzen muss. Dunkelkammermusik à la Tindersticks (»L3«) steht neben drunk-but-you-know-it Art-Brut-Singsprech (»Lenz«), leise trifft laut trifft einen Gigolo namens Pop. Und wie immer, wenn Callboys im Spiel sind, heißt es: Wir müssen reden. Hands of Kanellos sind Streitkultur und chronisches Dickschädeltrauma und beweisen, dass man trotz Hamburger Schulverweis Diskursrock machen kann. Es ist doch so: Wer die Scherbe nicht ehrt, ist das Kaleidoskop nicht wert.
Entstanden ist die mit gut 32 Minuten Spielzeit stattliche EP im Verlauf eines Jahres in Lukas Tügels Musikschule/Tonstudio. Neben Pianist Tügel fanden sich die Gitarristen Hannes Klock und Björn Weirup sowie die Schlagzeuger Philipp Schulz und Jan Klock ein, um ohne Bassisten und erklärten Frontmann Melodien aus dem Chaos zu bergen. Chaoszutaten fand das Quintett dabei nicht nur im Instrumentenschrank (Klavier, Slidegitarre, Geige etc.), sondern auch in der Abteilung Haushaltsbedarf: So zeichnen denn eben auch Mülleimer, Regenrohre, Elektroschrott und Stiftekästen für die unterschwelligen Dissonanzen verantwortlich, die Hands of Kanellos ausmachen.
Die EP lässt sich kaum besser zusammenfassen, als es ihr Titel tut. Lenz: Der Dichter, dem es unangenehm ist, nicht auf dem Kopf gehen zu können. Bei Hands of Kanellos sieht die Suche nach einer alternativen Gangart dann so aus: Man versucht, Gitarre ohne Töne zu spielen, man versucht, Lieder ohne Refrains zu schreiben. Man versucht, sich selbst zu überraschen. Auszutricksen.
Zusammengeschlossen aus der Band Acadian Post (xxs-records), die sich in der Hamburger Country-/Americanaszene einen Namen gemacht hat, und Elefants, die es bereits ins Dockville-Line-up sowie auf einen EMI-Sampler geschafft haben, schielen Hands of Kanellos nun auch aufs Ausland. Beziehungsweise: Das Ausland schielt auf sie. Zwei Touren durch England sind an der dortigen Szene nicht spurlos vorübergezogen: Der EP-Titeltrack gilt bei UK-Indie-Stations längst als Geheimtipp.
Über Georg Büchners Erzählung »Lenz« schrieb DIE ZEIT anno 1979: »Die Anstrengung des Autors, eine Sprache zu >beherrschen<, einen Stoff zu >meistern< ist diesem Text nicht anzumerken.« Hands of Kanellos agieren mit ähnlichem Bewusstsein: Was hier entstanden ist, bleibt urwüchsig. Ist kraftvoll aus sich selbst heraus. Es gibt harte Schnitte und lose Stränge. Es flirrt in den Räumen zwischen fünf musikalischen Vorgeschichten. Musik ist nicht da, um beherrscht zu werden. Sie ist da, um entfesselt zu werden.
»Lenz« ist die Momentaufnahme einer Entfesselung. Auf dem Weg zu: irgendwas. Die Suche nach dem perfekten Nichtsong. Eine Quersumme zum Quadrat. Eine Primwurzel. Und die letzte halbe Minute der Platte nicht weniger als der kaltschnäuzigste Mic-Drop des Jahres – abgesehen vielleicht von »Obama out«.
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